Gelungene Einbeziehung von beeinträchtigten auf dem ersten Arbeitsmarkt

Menschen mit Behinderung können auch auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt gut integriert werden. Das zeigt die Arbeit der Vinzenz Werke in Würzburg. Den Menschen dort gibt das Selbstvertrauen und ein echtes Einkommen.

185 Menschen mit und ohne Behinderung arbeiten für die Würzburger Vinzenz Werke. Arbeit, die nach Tarif – oder zumindest mit dem Mindestlohn – entlohnt wird und ganz regulär in die Sozialversicherung für die Beschäftigten einzahlt. Es hat zwar etliche Jahre gebraucht, bis das Inklusionsunternehmen und seine Mitarbeiter sich genügend Anerkennung erarbeitet hatte. Jetzt aber zeigen die Vinzenz Werke, dass Inklusion auf dem ersten Arbeitsmarkt funktioniert.

Schwerhörig – aber verantwortlich für 30 Mitarbeiter

In der Wäscherei werden 5.000 Textilien pro Tag angeliefert – vor allem Wäsche des Personals und von Bewohnern von Seniorenheimen. Daniela Krauß übernimmt gerade die Leitung und trägt Verantwortung für 30 Mitarbeiter. Das ist eine große Herausforderung. Die 28-jährige Unterfränkin ist schwerhörig, doch das gleicht sie mit Ehrgeiz und Elan aus.

„Nur, weil man ein Handicap hat, heißt das ja nicht, dass man weniger Arbeit leistet, sondern man macht die Arbeit genauso gut. So möchte man sich eben auch in die Gesellschaft integrieren.“ Daniela Krauß, Betriebsleitung Wäscherei

Inklusionsbetrieb als „wundervolles Instrument“

Das Vertrauen bekommt sie vom Geschäftsführer der Vinzenz Werke, Christian Frühwald. Der Oberpfälzer ist ursprünglich evangelischer Pfarrer. Früher hat er für die Diakonie Werkstätten geleitet, in denen ausschließlich behinderte Menschen beschäftigt sind. Heute setzt er sich für mehr Inklusionsbetriebe ein. Er berät Unternehmen in ganz Deutschland, wie behinderte und nichtbehinderte Menschen zusammenarbeiten können. „Ich glaube dass wir mit den Inklusionsbetrieben ein wundervolles Instrument haben“, sagt Frühwald. „Aber es ist zu wenig bekannt und zu wenig verbreitet.“

„Immer noch gibt es zu viele Menschen, die eigentlich auf dem ersten Arbeitsmarkt sozialversicherungspflichtig arbeiten könnten, aber in Werkstätten oder Tagesförderstätten untergebracht sind.“ Christian Frühwald, Geschäftsführer Vinzenz-Werke

Inklusion bietet Vorteile für Arbeitnehmer und Staat

Für Frühwald gibt es beim Thema Inklusion in der Arbeitswelt in Deutschland noch viel Luft nach oben. In Werkstätten arbeiten 300.000 Menschen mit Behinderung – in Inklusionsbetrieben nur 13.550. Der Verdienst in Werkstätten liegt bei 1,35 Euro pro Stunde. Pro Arbeitsplatz zahlt der Staat rund 16.600 Euro im Jahr dazu. In einem Inklusionsbetrieb wird nach Tarif oder der Mindestlohn bezahlt. Die Arbeitnehmer zahlen an den Staat Sozialversicherungsbeiträge.

Festanstellung bei den Vinzenz Werken – trotz Startschwierigkeiten

Dominik Haas hatte keinen leichten Start ins Berufsleben. Der 26-Jährige besuchte eine Förderschule und hatte danach große Schwierigkeiten, einen Job zu finden. „Ich habe Lernschwächen und Allergien“, erzählt Dominik Haas. Ein Praktikum in der Schreinerei habe nicht funktioniert. „Auch Gartenbau konnte ich nicht machen. Dann habe ich mich bei der Gebäudereinigung umgesehen, und da hab ich gemerkt: Der Job ist was für mich.“

Inzwischen arbeitet Dominik Haas als festangestellte Gebäudereinigungs-Fachkraft 30 Stunden die Woche bei den Vinzenz Werken der Caritas. Er verdient den Branchen-Mindestlohn von 11,11 Euro pro Stunde.

Lücke zwischen erstem Arbeitsmarkt und Behindertenwerkstatt

Auch Nicola Mai weiß, wie schwer die Jobsuche auf dem ersten Arbeitsmarkt sein kann. Die 47-Jährige ist von Geburt an körperlich eingeschränkt. „Ich hab trotz intensivster Bemühungen nichts gefunden, dann war ich ein ganzes Jahr lang arbeitslos gewesen“, erinnert sich Nicola Mai. „Wenn man zu schlecht ist für den normalen Arbeitsmarkt, aber zu gut für die Behindertenwerkstatt, dann ist das Problem da.“

Jobcoaches für Menschen mit Handicap versuchen an dieser Situation aber etwas zu ändern.

Mit Behinderung im Schnitt länger arbeitslos

Die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Handicap hat sich in Corona-Zeiten noch verschärft. Im Vergleich zum Vorjahr ist sie bundesweit um 13 Prozent gestiegen – in Bayern sogar um 19 Prozent. Derzeit sind in Deutschland 174.000 Menschen mit Behinderung ohne Arbeit. Sie brauchen im Schnitt 100 Tage länger als Nichtbehinderte, um einen neuen Job zu finden. Und sie laufen stärker Gefahr, in die Langzeitarbeitslosigkeit abzurutschen.

Psychische Probleme nicht tabuisiert

Die Garten- und Landschaftsbauer der Vinzenz Werke haben im Frühjahr wieder jede Menge Arbeit. Niklas Hauck kümmert sich um die Beete. Der 30-Jährige leidet unter Depressionen und Narkolepsie – einer Autoimmunerkrankung, die chronische Müdigkeit verursacht.

Während psychische Probleme überall in der Arbeitswelt zunehmen, sind sie an diesem Arbeitsplatz kein Tabu. „Da spricht man schon offen drüber“, berichtet Niklas Hauck. „Die Vorarbeiter wissen ganz genau: ‚Der hat das Problem, ok, da machen wir mal langsamer‘. Da wird schon mal nachgeschaut, dass man auch die Bremse reinmachen kann.“

Tägliche Arbeit und Wertschätzung bei den Vinzenz Werken

Grundsätzlich will Niklas Hauck aber an seiner Leistung und nicht an seiner Behinderung gemessen werden. Er hat eine Ausbildung zum Gartenbauhelfer abgeschlossen. Die Depressionen hat er mit Medikamenten unter Kontrolle. Eine große Rolle spielt für ihn die tägliche Arbeit und die Wertschätzung durch die Kollegen. Sein Vorarbeiter, Pascal Schäfer, ist mit seiner Arbeit zufrieden. Überhaupt seien die Mitarbeiter trotz Handicap motiviert und kaum krank.

„Also das Besondere an den Leuten hier ist, dass sie alle richtig Lust haben und sich jeden Tag auf die Arbeit freuen. Das ist schon was Tolles.“ Pascal Schäfer, Garten- und Landschaftsbau Vinzenz Werke

Mittlerweile haben sie sich einen Namen gemacht und können mit anderen Unternehmen mithalten. Darauf ist der Betriebsleiter der Garten- und Landschaftsbau-Abteilung, Thomas Götz, stolz. Denn das war nicht immer so. „Ganz am Anfang, als wir vor 20 Jahren angefangen haben, war ein bisschen Mitleid dabei bei den Kunden“, erinnert sich Götz. „Aber jetzt ist das alles ein Selbstläufer geworden. Die sind mit unserer Arbeit zufrieden. Egal wer auf der Baustelle ist: Es wird gute Arbeit geleistet.“

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