Die Corona-Krise und der Arbeitsmarkt Kurzarbeit als Rettungsanker in Deutschland

Ein Jahr Corona hat seine Spuren hinterlassen. Die ständigen Einschränkungen im persönlichen Leben und in der Wirtschaft sind nicht ohne Folgen geblieben. Wir haben für die Regionen Füssen und Außerfern nachgefragt, wie sich vor allem der Arbeitsmarkt im Hinblick auf den Lockdown vom vergangenen Frühjahr und den aktuellen Lockdown entwickelt hat, was das für die Regionen bedeutet und wie die Zukunft aussehen könnte, sollte sich der Stillstand des öffentlichen Lebens dank Mutanten des Coronavirus noch länger hinziehen.

 

Entwicklungen am Arbeitsmarkt

Im Frühjahr 2020 gab es anfangs noch eine günstige Entwicklung des Arbeitsmarktes in der Region Füssen. Doch der erste Lockdown führte in den Monaten April und Mai bereits zu einer merklichen Erhöhung der arbeitslos gemeldeten Menschen. Mit den einsetzenden Lockerungen ging in den Folgemonaten die Zahl der Arbeitslosen bis in den Oktober 2020 nahezu kontinuierlich zurück. Ab November waren dann erneut mehr Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen. Ihre Zahl erreichte in den Monaten Dezember 2020 und Januar 2021 den bisher höchsten Wert. Entsprechend ging die Arbeitslosenquote ebenfalls nach oben. Zum Stichtag 31. Dezember 2020 liegt die Arbeitslosigkeit im Bezirk Reutte um 500 % über dem Vorjahresniveau und stellt mit 1.830 Arbeitslosen einen Rekordwert dar. Der Beschäftigtenstand ist Ende November 2020 um 2,4 % gesunken und lag bei 12.293 Beschäftigten. Der dritte Lockdown in Österreich und der damit verschobene Start der Wintersaison zeigen massive Auswirkungen auf den heimischen Arbeitsmarkt und bewirken eine noch nie dagewesene Rekordarbeitslosenquote im Dezember 2020. Von Arbeitslosigkeit betroffen sind in erster Linie die Arbeitsuchenden aus dem Fremdenverkehr und witterungsbedingt aus der Baubranche. Nach Altersgruppen betrachtet, hat sich die Arbeitslosigkeit bei allen Altersgruppen erhöht. Bei den Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren stieg die Arbeitslosigkeit um +85,7 %. Bei den arbeitslosen 20- bis 24-Jährigen kommt es zu einem Anstieg um +224 %. Bei den Menschen zwischen 25 und 49 Jahren ist die Arbeitslosigkeit um +600 % gestiegen. Bei den über 50-Jährigen stieg die Arbeitslosigkeit um +548,9 %. Die Arbeitslosenzahl im Jahresschnitt 2020 hat sich damit gegenüber dem Vorjahr dramatisch erhöht, und zwar um 114,7 %.

Nachfrage nach Arbeitskräften

Der Bestand an sofort zu besetzenden offenen Stellen zum Monatsende Dezember war im Raum Reutte massiv geringer als im Vorjahr, demgegenüber fällt der Vorjahresvergleich bei den nicht sofort verfügbaren Stellen positiv aus. Erfreulich stellt sich wohl die Bilanz beim Bestand der gemeldeten Lehrstellen dar. Zwar zeigt sich beim Bestand der sofort verfügbaren Lehrstellen ein Minus, jedoch ist der Bestand der nicht sofort verfügbaren Lehrstellen gestiegen. Im Raum Füssen ging nach der starken Nachfrage nach Arbeitskräften im ersten Quartal 2020 der Bedarf pandemiebedingt im April zurück, um im Mai den niedrigsten Wert des Jahres 2020 zu erreichen. Danach kletterte die Nachfrage in den Folgemonaten nach oben, ehe die Betriebe in den beiden Schlussmonaten des Jahres 2020 sowie zum Auftakt des laufenden Jahres wieder weniger Mitarbeiter suchten.

Auswirkungen der Kurzarbeit

Mit der Zahlung von Kurzarbeitergeld wird in Deutschland ein Verdienstausfall zumindest teilweise wieder ausgeglichen. Kurzarbeitergeld hilft damit, wertvolle Arbeitskräfte zu erhalten, auch wenn die Beschäftigten vorübergehend weniger Arbeit haben. Außerdem werden auf die Kurzarbeit entfallende Sozialversicherungsbeiträge pauschaliert erstattet (abzüglich der Arbeitslosenversicherung).

Nach den pandemiebedingten Einschränkungen haben die Ostallgäuer Unternehmen vor allem in den Monaten März, April und Mai 2020 Kurzarbeit aus konjunkturellen Gründen in einem bis dato nicht gekannten Umfang angezeigt. In den darauffolgenden Monaten erstatteten die Betriebe meist deutlich weniger neue Anzeigen auf Kurzarbeit. Mit den pandemiebedingten Einschränkungen gingen ab November mit dem Lockdown Light wieder mehr neue Anzeigen auf verkürztes Arbeiten ein.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass bei konjunktureller Eintrübung die Anzeigen früh eingehen und einen erhöhten Umfang aufweisen. Nur ein Teil der Anzeigen und der darin genannten potenziell betroffenen Mitarbeiter wird tatsächlich realisiert. Hat ein Unternehmen bis 31. Dezember 2020 Kurzarbeit eingeführt und bei der Arbeitsagentur angezeigt, kann es Kurzarbeitergeld bis zu 24 Monate, längstens bis zum 31. Dezember 2021 beziehen. Wird die realisierte Kurzarbeit um mehr als drei Monate unterbrochen, muss erneut eine Anzeige abgegeben werden. Eine Reihe von Betrieben, die im Frühjahr 2020 verkürztes Arbeiten angezeigt hatten, kehrte in den Folgemonaten zunächst zum „Regelbetrieb“ zurück. Mit dem erneuten Lockdown im Herbst zeigten diese Betriebe dann in Teilen erneut Kurzarbeit an. Der Vergleich zwischen angezeigter Kurzarbeit und tatsächlicher Realisierung zeigt, dass nach dem Höhepunkt in den Monaten April und Mai 2020 die Zahl der von Kurzarbeit betroffenen Betriebe und Beschäftigten im Ostallgäu deutlich zurückging. Im August waren noch 3.700 Mitarbeitende von Kurzarbeit betroffen.

Die Unternehmen haben mehrere Monate Zeit, um ihre Abrechnungsanträge bei der Agentur für Arbeit einzureichen. Daher sind valide Daten für Folgemonate derzeit statistisch nicht auswertbar. Aus den gestiegenen Anzeigedaten ist jedoch bereits erkennbar, dass die tatsächlich realisierte Kurzarbeit in den Monaten November bis Januar wieder merklich zugenommen hat.

Insolvenzen

Das Thema Insolvenz spielt auf dem Arbeitsmarkt im gesamten Allgäu bisher noch keine ersichtliche Rolle. Das könnte vermutlich mit der zumindest in Teilen weiter ausgesetzten Insolvenzantragspflicht zusammenhängen, die es ermöglicht, dass für überschuldete Unternehmen die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages sowohl bei Zahlungsunfähigkeit als auch bei Überschuldung vorübergehend ausgesetzt wird, sofern die Krise des betroffenen Unternehmens pandemiebedingt aufgetreten ist.

Prognosen für den Arbeitsmarkt

Die weitere Arbeitsmarktentwicklung in Österreich hängt sehr stark mit der Entwicklung der Corona-Krise zusammen. Kurzfristig sollte sich mit Ende des Lockdowns eine zumindest vorübergehende Entspannung ergeben. Trotzdem ist mit einem weiterhin hohen Niveau der Arbeitslosigkeit zu rechnen.

Der Ausblick für die zweite Jahreshälfte 2021 ist laut Aussage des Arbeitsmarktservice Reutte vorsichtig positiv. Aufgrund der Impfstoffentwicklung ist von einem Rückgang der Arbeitslosigkeit und einer Erholung des Arbeitsmarktes auszugehen. Das Vorkrisenniveau der Arbeitslosigkeit wird jedoch voraussichtlich erst in einigen Jahren wieder erreicht werden können.

Für den Raum Füssen gilt, dass Einzelhandel, Tourismus, Dienstleistungsgewerbe und weitere Bereiche dringend Erleichterungen bei den Corona-Einschränkungen erwarten. Davon hängt auch die Entwicklung des Arbeitsmarktes in den kommenden Wochen stark ab. In der derzeitigen Lage ist das Instrument der Kurzarbeit ein Rettungsanker für zahllose Betriebe und Beschäftigte. Der Arbeitsmarkt wird laut Prognose der Bundesagentur für Arbeit in den kommenden Wochen wohl nur allmählich zu alter Stärke zurückfinden.

Text: Sven Ademi · Grafiken: Arbeitsagentur für Arbeit, AMS

 

quelle: fuessenaktuell.de/

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